Die Anwaltschaft kommt in Trennungs- und Scheidungssituationen mit den Ängsten und Interessen von Eltern in Berührung, wenn sie mit der Vertretung eines Elternteiles beauftragt wird, um die Fragen,
- wo sollen die Kinder künftig leben?
- wie soll das Umgangsrecht der Kinder mit den Eltern ausgestaltet werden?
- wie sollen die schulischen Belange der Kinder gemeinsam geklärt und geregelt werden?
- und weitere individuelle Fragen
klären zu helfen.
Wenn die Auflösung einer Lebensbeziehung oder Ehe, in der Kinder geboren worden sind, bevorsteht oder schon räumlich umgesetzt worden ist, sehen die Eltern oft nur den Weg eines gerichtlichen Verfahrens vor Familiengerichten.
Ein Verfahren vor den Familiengerichten läuft nach (zivilprozessualen) Regeln ab. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass es sich im Wesentlichen um ein schriftliches Verfahren handelt, bei dem nur das Gegenstand der Entscheidung eines Familiengerichtes sein kann, was schriftsätzlich (schriftlich) von Anwälten und Anwältinnen dem Gericht mitgeteilt worden ist.
Dadurch verhärtet und vertieft sich der Streit zwischen den Eltern, weil häufig die andere Prozesspartei (der andere Elternteil) die Darstellungsweise der Situation in anwaltlichen Schriftsätzen an das Familiengericht als schikanös oder sogar unlauter empfinden wird, obwohl es manchmal nur eine subjektive Sichtweise ist.
Um genau dies zu verhindern und im Gegenteil den beteiligten Eltern zu helfen, eine eigene Lösung zu finden, hatte sich der Arbeitskreis „Dresdner Initiative Trennungskinder“ (2006-2020) zum Ziel gesetzt, diese, aus der Struktur eines gerichtlichen Verfahrens resultierenden Mechanismen, zu durchbrechen und die am Gerichtsverfahren beteiligten Personen zu überzeugen, eine gerichtliche Verfahrensweise zu unterstützen, die die Situation zwischen den Eltern deeskaliert.
Dieses Ziel könnte auf zweierlei Weise erreicht werden:
1. Es findet in familiengerichtlichen Verfahren eine Verlagerung vom schriftlichen Verfahren in das mündliche Verfahren statt. Der Anwalt oder die Anwältin stellte nur die wesentlichen Aspekte der Situation der Beteiligten dar (Wohnorte, Dauer der Lebensbeziehung, Anzahl und Alter der gemeinsamen Kinder), um das Gerichtsverfahren in Gang zu setzen. Es ist es nicht notwendig, dass der andere Elternteil sofort und vollständig – jedenfalls bis zur mündlichen Verhandlung – auf das jeweilige Antragsvorbringen seine oder ihre Sichtweise darstellen läßt. Hierdurch soll erreicht werden, dass nicht das „letzte Porzellan zwischen den Eltern zerschlagen wird“, sondern der Familienverband zugunsten der Kinder trotz der Trennung erhalten bleibt.
2. Es ist wichtig, dass gerade in Kindschaftsprozessen nicht nur die Interessen der streitenden Eltern, sondern auch die der Kinder berücksichtigt werden.
Die Eltern können mit Hilfe des Familiengerichtes und aller anderen an diesem Verfahren beteiligten Berufsgruppen eine Lösung für ihre Kinder finden, da sie in einer mündlichen Erörterung vor dem Familiengericht und/oder in einem vor- oder zwischengeschaltetem Beratungs- oder Mediationsprozess die Möglichkeit haben, ihre unterschiedlichen Sichtweisen der neuen Lebenssituation auszutauschen und eine für alle gute Lösung zu denken und umzusetzen.
Es kann hilfreich sein, fachliche Unterstützung einer Beratungsstelle, des Jugendamtes oder eines Mediators bzw. einer Mediatorin in Anspruch zu nehmen. Die an der ehemaligen „Dresdner Initiative Trennungskinder“ beteiligten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte können auch aktuell die Eltern dazu informieren und bei der Auswahl der geeigneten Unterstützungsform beraten.
Im Ergebnis wird durch dieses Vorgehen erreicht, dass die Eltern über das Wohl ihrer Kinder reden, sich auf ein gemeinsames eigenes Konzept zur künftigen Betreuung und Versorgung der Kinder einigen und sich nicht auf rein prozessrechtlicher Ebene begegnen bzw. bekämpfen.